Nach längerer Pause bin ich endlich dazu gekommen, einige neue Forschungen der letzten Zeit durchzusehen. Diesmal gibt es neue Erkenntnisse zur spätantiken Klimakrise ab 536 n.Chr., zur Gesundheit der Europäer der letzten 2000 Jahren, zur Interpretation von Umweltverschmutzungen historischer Metallverarbeitung und weitere Erkenntnisse zu dem mysteriösen, umstrittenen Kometen- oder Asteroideneinschlag vor 12 800 Jahren. Viel Spaß beim Lesen!

Vulkan in El Salvador als ein Faktor der spätantiken Klimakrise nach 536 n.Chr. identifiziert

Im Jahrzehnt ab 536 n.Chr. wurden aus Europa Dunstschleier, Kälteeinbrüche und Missernten berichtet; das Klima war noch ein Jahrhundert lang deutlich kühler. Eine Reihe von Belegen, u.a. Staubschichten im alpinen Gletschereis (siehe Panorama 12/2018), hatten bereits auf zwei große Vulkanausbrüche in den Jahren 536 und 540 als Hauptfaktor gedeutet; die Orte der Eruptionen war jedoch nicht bekannt. Nun hat ein internationales Team einen Ausbruch des Vulkans Ilopango in El Salvador auf 539/540 datiert und die Größe des Ausbruchs geschätzt; demnach passt dieser Vulkan gut zum zweitem gesuchten Ausbruch der Klimakrise. Bereits zuvor war bekannt gewesen, dass der Ilopango zwischen dem 3. und 6. Jahrhundert einen massiven Ausbruch gezeigt hatte, der als Tierra Blanca Joven (TBJ, "junge weiße Erde") bekannt ist und in der Klassischen Periode der Maya zur Aufgabe eines Gebiets von 20 000 km2 führte. Doch nun konnte der Ausbruch mithilfe von Baumringen und C14-Daten von Bäumen, die von der Asche eingeschlossen wurden, genau datiert werden und mithilfe von Bohrkernen aus dem Pazifik die Aschemenge bestimmt werden; die Aschesäule dürfte demnach um 40 km hoch gewesen sein, und wegen der äquatornahen Lage verteilte sich der Staub weltweit. Der erste Ausbruch von 536, mit dem die Krise begann, ist jedoch nach wie vor nicht identifiziert.

Menschen im Frühmittelalter waren gesunder als in den Folgezeiten bis zum 19. Jh.

Die Menschen im Frühmittelalter (um 500-1000 n.Chr.) waren insgesamt unerwartet gesund, zeigt eine bioarchäologische Übersichtsstudie, die auf der Untersuchung von etwa 15 000 Skeletten aus 100 Regionen Europas beruht, die zwischen dem 3. und 19. Jh. bestattet wurden. Untersucht wurden verschiedene Dimensionen der Gesundheit von der Körpergröße und dem Ernährungszustand hin zur Arbeitsbelastung, aber auch das Vorkommen von Gewalttaten. Demnach war die Gesamtgesundheit unmittelbar nach der Justinianische Pest im 6. Jh. am besten, wohl weil dieser Generation im entvölkerten Europa eine größere Auswahl an Ressourcen hatte, sodass die Lebensbedingungen des Einzelnen gut waren. Interessanterweise betraf dies nicht nur die Oberschicht, sondern auch die Mittel- und Unterschichten des Frühmittelalters. In der Folgezeit nahm die Gesundheit vom Frühmittelalter bis zur Industrialisierung stetig ab, wofür die zunehmende Bevölkerungsdichte, die steigende Ungleichheit und ab dem Spätmittelalter die Kleine Eiszeit verantwortlich sind. Der Trend wurde jedoch ab dem 15. Jh. abgeschwächt, als durch das Entstehen staatlicher Strukturen eine gewisse Sicherheit eintrat und die Zahl der Gewalttaten abnahm.

Umweltverschmutzung und Gesundheitsschäden durch antike Metallverarbeitung komplizierter als gedacht

Forschungen im Wadi Faynan (Jordanien), einer Region des Kupferbergbaus und der Kupferverhüttung in den letzten 3000 Jahren (seit der Eisenzeit), zeigen, dass die Verschmutzung durch Schwermetalle wie Blei nicht großräumig (etwa über die Luft) geschah, sondern vor allem sehr lokal um Verarbeitungsstätten, dass dann aber mit Schwermetall verseuchte Böden durch Wasser stromabwärts teils auf landwirtschaftliche Flächen verteilt wurde. Die Umwelt- und Gesundheitsfolgen sind daher viel kleinräumiger und lokal differenzierter als bisher angenommen.

  • Knabb, Kyle A. „Human and Environmental Impacts of Ancient Copper Metallurgy: A Case Study from Southern Jordan“. Current Anthropology 60, Nr. 6 (1. Dezember 2019): 840–48. https://doi.org/10.1086/706543.

Mehr Hinweise auf Einschlag in der Jüngeren Dryas aus Patagonien, mit Folgen für die Megafauna

Seit einiger Zeit wird darüber spekuliert, dass die Abkühlung der Jüngeren Dryas (vor etwa 12 700-11 700 Jahren) durch den Einschlag von Fragmenten eines Kometen oder Asteroiden vor etwa 12 800 Jahren ausgelöst wurde, der zu ausgedehnten Waldbränden führte (siehe auch Panorama 7/2018). Nun hat ein Forscherteam eine Sedimentfolge aus Pilauco (Patagonien, Chile) untersucht, die zu dieser Zeit eine hohe Konzentrationen an Gold, Platin, reine Eisenpartikel sowie eisen- und chromreiche Silikat-Mikrokügelchen aufweist, die typisch für Meteoriten sind, aber ansonsten kaum natürlich vorkommen. Eine holzkohlereiche Schicht könnte ein Hinweis auf Waldbrände sein. Klimatisch zeigen die Bohrkerne in der Folgezeit wärmere Verhältnisse und stärkere jahreszeitliche Schwankungen der Niederschlage, was im Gegensatz zu Abkühlung auf der Nordhalbkugel steht. Gleichzeitig verschwinden in der Pilauco-Abfolge auch Fossilien der südamerikanischen Megafauna und die Zahl der Sporen von Dungpilzen nimmt ab, die indirekt ein Hinweis auf Großtiere sind.

  • Pino, Mario, Ana M. Abarzúa, Giselle Astorga, Alejandra Martel-Cea, Nathalie Cossio-Montecinos, R. Ximena Navarro, Maria Paz Lira, u. a. „Sedimentary Record from Patagonia, Southern Chile Supports Cosmic-Impact Triggering of Biomass Burning, Climate Change, and Megafaunal Extinctions at 12.8 Ka“. Scientific Reports 9, Nr. 1 (Dezember 2019): 4413. https://doi.org/10.1038/s41598-018-38089-y.