Der italienische Dichter Dante Alighieri erlebte in den letzten Jahren seines Lebens das extrem feuchte, kalte Jahr 1310, das wohl die Inspiration zum dritten Kreis der Hölle in seiner Göttlichen Komödie war. Diese "Dante-Anomalie" war offenbar ein Zeichen einer Klimaschaukel, die den Übergang zwischen dem Klimaoptimum des Mittelalters und der Kleinen Eiszeit prägte. Eine weitere Arbeit zeigt, dass die Meeresoberflächentemperaturen im westlichen Mittelmeer zur Römerzeit am höchsten waren. Nicht geglückt ist dagegen ein Versuch, die Körpermaße der berühmten übergewichtigen Frauenfigurinen der Eiszeit mit dem Klima zu korrelieren - zwar ein interessanter Ansatz, aber die Arbeit wirft zu viele erhebliche methodische Fragen auf. Abschließend haben wir noch eine Arbeit, die nur indirekt mit dem Klima zu tun hat, aber als Hintergrundinfo interessant ist: eine detaillierte Übersicht über historische Sonnenfleckenbeobachtungen. Viel Spaß beim Lesen!

Hitzewellen und Dürren vor der kalten, feuchten Dante-Anomalie (1310): der Übergang vom Mittelalterlichen Optimum zur Kleinen Eiszeit

Als Dante-Anomalie bezeichnet man das ungewöhnliche kalte und feuchte Jahr 1310. Der italienische Dichter Dichter Dante Alighieri (1265-1321) hat in der "Göttlichen Komödie" (1314) wohl die Erfahrung aufgegriffen: "Ich bin im dritten Kreise [der Hölle], dem des ewgen, verwünschten, kalten, qualenvollen Regens, des Art und Weise nimmer sich verändert. Grobkörn'ger Hagel, Schnee und trübes Wasser fällt rastlos durch die finstre Luft hernieder; der Boden stinkt, der solch Gemenge aufnimmt." Martin Bauch et al. haben nun die Klimasituation des frühen 14. Jh. aus zeitgenössischen Berichten und Verwaltungsdokumenten rekonstruiert. Vor der Dante-Anomalie kam es demnach 1302-1304 zu einer mehrjährigen Dürre im Mittelmeerraum, gefolgt von heißen, trockenen Sommern nördlich der Alpen 1304-1306, die für das 13. und 14. Jahrhundert wohl einmalig sind. Offenbar kam es zu einer schnellen "Klimaschaukel" zwischen den Extremen in der Übergangszeit vom Mittelalterlichen Optimum (etwa 8. bis 13. Jh.) zur Kleinen Eiszeit (14. bis 19. Jh.). Interessant sind auch politische Maßnahmen zur Bewältigung der Krise, wobei italienischen Stadtstaaten generell aufgrund ihrer ausgefeilteren Verwaltung stärker reagieren konnten als Mitteleuropa. So versuchte die toskanische Stadt Siena, in der Dürre Getreide aus umliegenden Gegenden aufzukaufen, aber auch einen legendären unterirdischen Flusslauf zu finden - was der Florentiner Dante in der Göttlichen Komödie mit viel Häme übergoss.

Zur Römerzeit war das westliche Mittelmeer wärmer als heute und Niederschläge wanderten nach Norden

Die Oberflächentemperatur war im westlichen Mittelmeer in der Römerzeit (um 1 bis 500 n.Chr.) höher als zu jeder anderen Zeit der letzten zwei Jahrtausende und etwa 2 Grad höher als das heutige Mittel. Dies zeigt eine neue Rekonstruktion mithilfe von Magnesium-Kalzium-Verhältnissen in Foraminiferen (Kalkalgen) aus Bohrkernen in der Straße von Sizilien und ein Vergleich mit älteren Datensätzen von verschiedenen anderen Bohrungen im Mittelmeer. Die Temperatur nahm ab 3300 v.Chr. (dem Beginn dieses Datensatzes) bis etwa 330 n.Chr. kontinuierlich zu und sank dann nach der Römerzeit wieder; dies steht im Einklang mit den generellen Erkenntnissen zum Klimaoptimum der Römerzeit. Aus den Temperaturdaten lässt sich auch der Zustand der Nordatlantischen Oszillation (NAO), ein das europäische Wetter bestimmendes Luftdrucksytem, ableiten; demnach dürften sich in der zweiten Hälfte der Römerzeit die Niederschläge stärker nach Norden verlagert haben. Die Autoren spekulieren, dass dies die Mittelmeerregionen des Reichs gegenüber den mitteleuropäischen benachteiligt haben könnte, was ein Faktor für die politische Umwälzungen gewesen sein mag. Die Daten zeigen zudem Wärmeereignisse um 2913 v.Chr., um 2040 v.Chr. und um 1100 v.Chr., die mit dokumentierten Warm- bzw. Trockenphasen der Kupferzeit, Frühbronzezeit und Spätbronzezeit korrelieren; die Autoren erwähnen dazu diverse historische Ereignisse, aber ohne detailliertere Diskussion der Mechanismen.

  • Margaritelli, G., I. Cacho, A. Català, M. Barra, L. G. Bellucci, C. Lubritto, R. Rettori, und F. Lirer. „Persistent Warm Mediterranean Surface Waters during the Roman Period“. Scientific Reports 10, Nr. 1 (26. Juni 2020): 10431. https://doi.org/10.1038/s41598-020-67281-2.

Spekulationen über paläolithische Frauenfigurinen als Klimazeugen überzeugen nicht

Figurinen von stark übergewichtigen Frauen wie die berühmte "Venus von Willendorf" sind ein bekannter Aspekt der altsteinzeitlichen Kunst in Europa. Mediziner haben nun das Taille-Hüft- und Taille-Schulter-Verhältnis von Figurinen aus der Zeit vor 38000 bis vor 14000 Jahren gemessen und mit dem Vordringen bzw. Zurückweichen der eiszeitlichen Gletscher in Beziehung gestellt. Demnach seien die dicksten Figuren in Zeiten der Ressourcenknappheit entstanden. Da Mangelernährung in der Schwangerschaft ein tödliches Risiko darstellt, spekulieren die Autoren, dass die Figurinen Mädchen und jungen Frauen als Erbstück übergeben wurden, um Fettleibigkeit zu propagieren. Allerdings löste der Artikel sofort heftige Expertenkritik auf. So weist Julien Riel-Savatore auf erhebliche methodische Mängel hin. Die Arbeit wurde in einer medizinische Zeitschrift veröffentlicht und wohl nie von Archäologen begutachtet. Die Auswahl der Daten wirft Fragen auf: Nur 41 Figurinen in einem Zeitraum von 24000 Jahren (weniger als zwei pro Jahrtausend) für das gesamte Europa, alle aus einer Liste auf der Hobby-Website des australischen Mathematiklehrers Don Hitchcock übernommen; da dieser speziell Bilder von "Venus-Figurinen" gesammelt hat, dürften schlankere Figurinen und weniger prominente Funde unterrepräsentiert sein. Die Auswahl ist auf Europa und Russland beschränkt, adipose Figurinen etwa aus Anatolien (weit weg von Gletschern) fehlen. Die Autoren ignorieren auch die erheblichen Unsicherheiten in der Datierung vieler Figurinen, die die Korrelation mit Klimaphasen erschwert. Ihre einfache Interpretation als "Erbstücke" wird dem vielfältigen kulturellen Kontext nicht gerecht. Auch die Gleichsetzung von kalten bzw. gletschernahen Verhältnisse mit Mangelsituationen sei, so Riel-Savatore, zweifelhaft.

Historische Sonnenfleckenbeobachtungen seit 1610

Sonnenflecken sind ein Indikator der Sonnenaktivität, sodass historische Beobachtungen eine wichtige Quelle sind, um die Sonnenaktivität als einen der Treiber von Klimaveränderungen zu beurteilen. Arlt und Vaquero geben eine Übersicht über historische Sonnefleckenbeobachtungen. Vor dem 17. Jh. gibt es nur Beobachtungen mit bloßem Auge vor allem aus China, die ungenau und schwierig zu interpretieren sind, doch nach der Erfindung des Teleskops konnte man die Sonne vergrößert auf einen Schirm projizieren und zeichnen; die ältesten erhaltenen Zeichnungen stammen von Thomas Harriot aus dem Jahr 1610. Der Artikel diskutiert die verschiedenen Beobachter und ihre Beobachtungstechniken und Aufzeichnungen bis zu Beginn der fotografischen Ära um 1900 und analysiert, welche physikalischen Größen sich aus ihren Aufzeichnungen ableiten lassen.