Im April fand die jährliche Konferenz der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) - diesmal online - statt. Auf dieser Konferenz mit über 18000 Teilnehmer:innen aus 136 Ländern werden in Tausenden von Beiträgen neue Ergebnisse über die Erde, von den Gesteinen und der Tektonik über die Ozeane hin zur Atmosphäre, vorgestellt; auch die Klimaforschung nahm breiten Raum ein. Wie für eine naturwissenschaftliche Konferenz zu erwarten, behandelte der Großteil die Mechanismen und die Entwicklung des Klimas selbst, aber einige Beiträge untersuchten auch die Einflüsse des Klimas auf historische Gesellschaften.

Hier fasse ich zunächst einen Schwerpunktvortrag von Dagomar Degroot über die allgemeinen methodischen Probleme der Forschung zusammen, gefolgt von einer Übersicht über eine Reihe von thematisch interessanten Einzelthemen, die jeweils in Kurzvorträgen bzw. Postern berichtet wurden; thematisch gehen sie quer durch die Menschheitsgeschichte und durch die Weltregionen: von präkolumbianischen Amerikanern zu Mongolen, von den Alpen nach Ozeanien, von Vulkanen bis hin zu Tsunamis.

Abschließend beschreibe ich noch ein paar persönliche Eindrücke über die EGU-Konferenz und das Onlineformat.

Was können wir aus der Vergangenheit lernen? Methodische Probleme der Forschung

In einem zehnminütigen Schwerpunktvortrag führte Dagomar Degroot von der Georgetown University (Washington DC, USA) in die Erforschung der Geschichte des Klimas und der Gesellschaft ein. Zwar sind die Geschichtsforschung einerseits und die Klimaforschung (zu der selbstverständlich auch die Erforschung vergangener Klimate gehört) andererseits jeweils seit langem etablierte Forschungsbereiche, aber ihre Kombination, die speziell die Wechselwirkung zwischen dem Klima und (historischen) menschlichen Gesellschaften erkundet, ist doch ein relativ junges Feld. Für diese neue Forschungsrichtung beginnt sich der englische Name "History of Climate and Society" (HCS) einzubürgern (eine deutsche Übersetzung wie "Geschichte von Klima und Gesellschaft" oder "Klima-Gesellschafts-Geschichte" klingt m.E. noch recht hölzern; vielleicht kommt da noch etwas besseres).

Degroot identifiziert in der Forschung zwei grobe "Lager", die sich teils noch recht distanziert gegenüberstehen; wohl eine Folge dessen, dass dieses Gebiet sich aus zwei verschiedenen Traditionen - der eher sozialwissenschaftlichen Geschichtswissenschaft und der naturwissenschaftlichen Klimatologie - speist. Degroot nennt die beiden Lager "cause-of-effect" und "effect-of-cause", also etwa "Ursache der Wirkung" und "Wirkung der Ursache".

Forscher des Cause-of-Effekt-Lagers wollen Klimafaktoren als notwendige und hinreichende Bedingungen für einen bestimmten sozialen Wandel identifizieren, also als Bedingungen, ohne die der soziale Wandel nicht stattgefunden hätte ("notwendige Bedingung"), wobei andererseits der soziale Wandel keine anderen Auslöser brauchte ("hinreichende Bedingung"). In solchen Fällen kann das Klima tatsächlich als "Ursache" für die "Wirkung" (den gesellschaftlichen Wandel) gelten. Sie verwenden dazu vor allem qualitativ-historische Methoden, etwa die Auswertung historischer Quellen, den Vergleich mit ähnlichen Situationen zu anderen Zeiten oder an anderen Orten sowie kontrafaktisches Denken ("Was wäre passiert, wenn sich das Klima nicht verändert hätte?").

Forscher des anderen Lagers, des Effect-of-Cause-Lagers, gehen statistisch vor: Sie versuchen, den sozialen Wandel zu quantifizieren, indem sie etwa die Häufigkeit von Kriegen und Konflikten berechnen, und korrelieren diese Daten dann mit Klimadaten. Damit zeigen sie, wie Klimavariablen im groben Rahmen die historischen Variablen kontrollieren; sie finden sozusagen die Wirkung einer Ursache, ohne dass die Ursache notwendig und hinreichend für den sozialen Wandel sein muss.

Die beiden Lager reden zwar oft aneinander vorbei, haben aber gemein, dass sie versuchen, Modelle zu entwickeln, wie klimatische Einflüsse auf die Gesellschaft wirken. Während sich die Komplexität der Modelle unterscheiden, ist typischerweise der erste Schritt, dass klimatische Faktoren die landwirtschaftliche Produktion stören, die die Grundlage vieler historischer Gesellschaften darstellt.

Degroot hat 168 Fachveröffentlichungen der letzten 20 Jahre systematisch analysiert und dabei eine Reihe von methodischen Problemen identifiziert (Details finden sich in seiner Publikation in Nature). Ein wichtiges Problem ist, dass sich die überwiegende Mehrzahl (77%) der Arbeiten auf Katastrophen konzentriert, bei denen eine Gesellschaft durch klimatische Einflüsse stark gestört wurden, und nur sehr wenige (10%) auf Resilienz, also auf Situationen, in denen sich Gesellschaften angepasst oder sogar von dem Wandel profitiert haben. Die übrigen 13% der Arbeiten sind neutral bzw. lassen sich nicht als Katastrophe/Resilienz klassifizierten, sondern betrachten etwa langfristige kulturelle Veränderungen. Nun ist dieser Fokus auf Katastrophen verständlich, da sich Klimaänderungen auf historische Gesellschaften tatsächlich oft katastrophal auswirkten und diese Fälle historisch leichter identifizierbar bzw. nachweisbar sind, sie geben aber nicht das vollständige Bild.

Weitere verbreitete methodische Problem betreffen die Verwendung von Klimadaten: Teils werden ungeeignete Klimadaten verwendet oder selektiv ausgewählt, oder es wird nicht zwischen Klimaveränderungen und Klimavariabilität unterschieden. Andererseits ist auch die historische Aussagekraft oft problematisch: Betrachtet werden vor allem agrarische Reiche, Gesellschaften werden als homogene Einheiten missverstanden, und es wird eine einfache Dichotomie zwischen Resilienz und Anfälligkeit angenommen, während komplizierte, sich verändernde Entwicklungspfade von Klima und Gesellschaft ignoriert werden. Insbesondere die eher statistischen Arbeiten leiden zudem oft daran, historische Primärquellen unkritisch wörtlich zu nehmen und nicht quantifizierbare Aspekte zu ignorieren. Oft wird auch eine Korrelation zu schnell als Kausalzusammenhang interpretiert und die Unsicherheiten nicht ausreichend beachtet. Der "Straßenlaterneneffekt" (die Verwendung von leicht zugänglichen, aber unvollständigen Datenquellen) verzerrt ebenfalls die Aussagekraft.

Der Forschungsfokus auf katastrophale Ereignisse verstellt leicht den Blick dafür, dass Gesellschaften auf viele Weisen auf klimatische Faktoren reagieren können. Ein Beispiel ist das Goldene Zeitalter der Niederlande im 17. Jahrhundert: Während Nachbarländer unter den extremen Temperaturen und Niederschlägen der Kleinen Eiszeit litten, konnten die Niederlande zu einem führenden Handelsreich mit einer kulturellen Blütezeit aufsteigen. Es lassen sich einige allgemeine Aspekte identifizieren, durch die Gesellschaften gegenüber Klimafaktoren resilient und anpassungsfähig sind. Durch den Wandel können sich neue Möglichkeiten ergeben, die eine Gesellschaft nutzen kann. Resiliente Energiesysteme helfen ebenso wie die Ressourcen, die sich etwa durch den Handel ergeben. Die Gesellschaft kann sich politisch und institutionell anpassen, oder es kann zu weitreichenderen Transformationen oder auch Wanderungsbewegungen kommen.

Viele dieser methodischen Probleme beruhen darauf, dass in den jeweiligen Forschungsprojekten einige relevante Fachdisziplinen fehlen oder unterrepräsentiert sind. Daher hat Degroot ein Flussdiagramm entwickelt, mit dem Forscher durch eine Reihe von gezielten Fragen identifizieren können, wo ihre Arbeit in den Bereichen Klima, regionale Umwelt und Gesellschaft verbessert werden kann und welche Kompetenzen sie an Bord holen sollten.

Die übrigen Konferenzbeiträge waren zweiminütige Kurzvorträge; sie waren naturgemäß weniger übergreifend als die Schwerpunktvorträge und geben eher spezifische Einzelforschungen wieder. Die Beiträge haben meist mehrere Autoren, und da ich nicht mehr rekonstruieren kann, welche Autorin tatsächlich präsentiert hat, nenne ich im Text aus Platzgründen nur jeweils den ersten Namen; die weiteren Details stehen in den Quellenangaben am Ende.

Kollaps oder Resilienz: das Oströmische Reich im 7. Jh.

Die von Degroot aufgeworfenen Fragen zum Verhältnis von Kollaps und Resilienz historischer Gesellschaften fanden sich auch in einem Beitrag von Adam Izdebski vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte wieder. Er diskutierte, wie die Handlungsfähigkeit bzw. die Wirkmächtigkeit des politischen Systems den sogenannten "sozialen Kollaps" des Oströmischen Reichs im 7. Jh. steuerte. Zwar gelten Umweltfaktoren wie das Klima oder Krankheiten nach heutigem Forschungsstand nicht als primärer Grund für den damaligen Wandel, aber tatsächlich liefen tief greifende Umweltveränderungen gleichzeitig mit sozialen Umwälzungen ab. Es kam zu aktiven Reaktionen der Regierung, der Reichsverwaltung und des Militärapparats, Anpassungen der gesellschaftlichen Eliten und ideologischen Innovationen, die letztlich zu kleineren, aber resilienteren sozioökonomischen Systemen führten. Izdebski sieht daher den "Kollaps" des Oströmischen Reichs im 7. Jh. als eine erfolgreiche Transformation, die vor allem durch die menschliche Handlungsfähigkeit und speziell durch geschickte Interventionen und Innovationen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gelang.

Erkennt man Extremereignisse überhaupt in Klimadaten?

In einem weiteren Beitrag ging Adam Izdebski der Frage nach, ob sich Extremereignisse, die für menschliche Gesellschaften relevant sind, überhaupt prinzipiell in geowissenschaftlichen Klimadaten niederschlagen. Einerseits laufen Extremereignisse eher auf kurzen Zeitskalen - Tagen, Wochen, Monaten oder maximal wenigen Jahren - ab, während die Sedimentation und andere Mechanismen, durch die natürliche Klimaarchive gebildet werden, viel längere Zeiträume brauchen. Andererseits sind Extremereignisse aber massiv und konzentriert mit eventuell länger anhaltenden Folgen, sodass sie sich trotz der kurzen Zeit in den Daten niederschlagen könnten. Dazu versuchte Izdebski, Auswirkungen der großen europäischen Epidemien (der Justinianischen Pest im 6.-8. Jh. und dem Schwarzen Tod im 14.-18. Jh.) u.a. in Pollendaten zu finden, die z.B. die Landnutzung zeigen und damit Rückschlüsse auf die Gesellschaft ermöglichen: In einigen Gebieten waren die Folgen kaum zu sehen, in anderen waren sie massiv. Dies wirft Fragen auf, wie wir Extremeereignisse eigentlich definieren sollten.

Mensch und Umwelt im präkolumbianischen Nord- und Südamerika

Ob das Aussterben der Großtiere ("Megafauna") in Nordamerika am Ende der Eiszeit vor etwa 12000 Jahren durch Umweltveränderungen oder durch die Ankunft der Menschen ausgelöst wurde, ist eine seit langem diskutierte Frage, die immer noch nicht abschließend geklärt ist. Eine statistische Analyse deutet nun wieder auf natürliche Klimaveränderungen. Mathew Stewart (Max-Planck-Institute für chemische Ökologie, Menschheitsgeschichte und Biogeochemie, Jena) nutzte dazu ein neu entwickelte statistische Verfahren, die Radiokarbon-Ereigniszählungsmodellierung (REC für "radiocarbon event count"). Die Überlegung: Sollte die Jagd der Hauptgrund sein, dann müsste die Besiedlungsdichte und die Populationsdichte der Großtiere invers korrelieren - wo mehr Menschen, dort weniger Tiere. Ist der Klimawandel verantwortlich, müsste dagegen die Populationsdichte der Tiere mit der Temperatur korrelieren (Stewart nahm dazu die Temperaturdaten aus grönländischen Eisbohrkernen als Datengrundlage). Tatsächlich fand Stewart eine Korrelation mit der Temperatur, aber nicht der menschlichen Besiedlungsdichte.

Mark Hall vom Black Rock Field Office des Bureau of Land Management (USA) untersuchte das Verhältnis zwischen Klimafaktoren, insbesondere Trockenheit, und der Besiedlung durch Jäger-Sammler-Gruppen im Norden des Großen Beckens der USA. In den zwei untersuchten Becken, das Black Rock Basin und das Truckee Basin, lebten seit etwa 8000 Jahren Jäger-Sammler und über 1000 archäologische Fundorte sind bekannt. Ab etwa 7800 Jahren vor der Gegenwart bis vor 4000 Jahren finden sich nur relativ wenige archäologische Spuren, während Klimadaten auf eine extreme Trockenheit vor 8000 bis 4000 Jahren deuten; sie könnte, so Hall, mit dem Ausbruch des Mount Mazama, einem Vulkan in Oregon, oder mit dem weltweiten 8,2-Kilojahr-Klimaereignis in Zusammenhang stehen. Danach nahm die Besiedlungsdichte wieder zu, nahm aber vor etwa 2500 Jahren mit einer weiteren Dürreperiode wieder ab, mit Ausnahmen von Siedlungen um größere Seen herum.

Philip Riris von der Universität Bournemouth stellte ein Projekt vor, das das Verhältnis der präkolumbianischen Besiedlung und der Ökologie im Atlantischen Regenwald Brasiliens klären soll. Archäologische Daten zeigen eine Intensivierung der Landnutzung und zunehmende gesellschaftliche Komplexität, die sich auf den Wald auswirkte, aber andererseits könnten Oszillationen in den hydrologischen Verhältnissen über Jahrhunderte hinweg auch selbst beigetragen haben, dass die Menschen den Wald stärker nutzten.

Das Ende der Tempelperiode auf Malta

Für das Ende der Tempelperiode auf Malta könnte die Trockenheit im Zusammenhang mit dem weltweiten 4,2-Kilojahr-Ereignis eine wichtige Rolle gespielt haben, meint Huw Groucutt vom Max-Planck-Instituten für chemische Ökologie, Menschheitsgeschichte und Biogeochemie in Jena. Die Tempelperiode auf Malta begann vor etwa 5800 Jahren; die berühmten megalithischen Tempel gehören zu den ältesten erhaltenen Gebäuden Europas. Nach einem Jahrtausend endete diese Kultur jedoch vor 4400 bis 4200 Jahren - offenbar sehr abrupt; danach folgten ganz andere bronzezeitliche Kulturen. Dies fällt mit dem Klimaereignis vor etwa 4200 Jahren ("4,2-Kilojahr-Ereignis") zusammen, das u.a. durch Trockenheit im Mittelmeerraum geprägt ist, aber in der Forschung werden auch gesellschaftliche Prozesse, etwa Invasionen, diskutiert. Malta als kleine Insel praktisch ohne Grundwasservorkommen ist, so Groucutt, eine faszinierende Fallstudie, um Ursachen und Wirkungen von klimatischen und gesellschaftlichen Veränderungen zu erforschen.

Klima und Landwirtschaft in Südostnorwegen

Manon Bajard von der Universität Oslo zeigte, dass Klimavariationen die Entwicklung einer landwirtschaftlichen Siedlung in Südostnorwegen zwischen 200 und 1300 n.Chr. bestimmte: Zu wärmeren Zeiten wurde mehr Getreide angebaut, in kühleren Zeiten stieg man eher auf die Tierhaltung um. Ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit ist, dass sie Daten über das Klima und über die landwirtschaftlichen Praktiken aus den gleichen Sedimentbohrkernen eines Sees bestimmen konnte; sie brauchte also nicht auf unterschiedliche Datensätze von verschiedenen Orten zurückgreifen, bei denen die zeitliche Datierung oft schwer zu korrelieren ist, oder auf regionale oder großräumige Klimadaten, die evtl. für den speziellen Ort nicht repräsentativ sind. Bajard nutzte Bohrkerne von Sedimenten des Sees am Raknehaugen, einem im 6. Jh. errichteten Grabhügel, in dessen Umgebung seit der Bronzezeit mehrere Bauernhöfe existierten. Das Klima wurde aus dem Calcium-Titan-Verhältnis der Sedimente bestimmt, das letztlich die Algenblüte im See und damit die Wassertemperaturen wiedergibt. Landwirtschaftliche Aktivitäten zeigen sich ebenfalls in den Sedimenten: Die Pollen von Getreide oder Hanf deuten auf Ackerbau, die Pollen von Brennnesseln und Ampfer dagegen auf die Viehhaltung (da diese im nitratreichen Boden gut gedeihen); auf Viehhaltung deuten auch die Sporen von koprophilen Pilzen (als Pilzen, die auf Viehdung wachsen). Es ergaben sich zwischen 200 und 1300 mehrere wärmere und kühlere Perioden, in denen jeweils deutlich der Ackerbau bzw. die Viehhaltung zunahm.

Überschwemmungen und Erdrutsche in den Alpen

Im Gebirge gehören Erdrutsche und Überschwemmungen zu den häufigsten Naturkatastrophen.

Enrico Pigazzi (Universität Milano) beschrieb die Folgen des Erdrutsches, der im Jahr 1618 das gesamte Dorf Piuro in der Lombardei auslöschte und 1000 bis 2000 Menschen das Leben kostete; als eines der schlimmsten Unglücke in der Region ist es in der Erinnerung immer noch präsent. Das Erzählen solcher Ereignisse und ihrer Folgen für die betroffenen Gemeinschaften, so Pigazzi, kann dazu beitragen, das Bewusstsein für die Gefahren, aber auch die Schönheit der natürlichen Umwelt zu fördern.

Eva Boisson von der Universität Grenoble hat die Folgen von Überschwemmungen im Arvetal (Französische Alpen) 1850-2015 analysiert. Demnach nahmen Sach- und Personenschäden vor allem seit 1920 zu, die Anzahl der Überschwemmungen aber erst seit 1990. Demnach beruhte die Zunahme vor 1990 offenbar nicht auf tatsächlichen hydrologischen Veränderungen, sondern darauf, dass durch die zunehmende Besiedlung von Überschwemmungsflächen immer mehr Menschen gefährdet wurden, und dass Ereignisse vor allem an den kleineren Zuflüssen zunehmend besser berichtet und dokumentiert wurden.

Die völlige Verwüstung von Hessen und Thüringen...

Vor etwa 13000 Jahren brach der Vulkan unter dem Laacher See in der Eifel in einer kataklystischen Explosion aus; es war einer der heftigsten Vulkanausbrüche der Nordhalbkugel im Pleistozän. Felix Riede von der Universität Aarhus beschrieb die Folgen: Der Rhein wurde zeitweise aufgestaut, noch in 20km Entfernung war die Ascheschicht bis zu einen Meter dick und ein dünnerer Ascheregen fiel über große Teile Mitteleuropas bis zu 1100km entfernt. In der Asche finden sich Spuren von Wölfen, Bären, Rotwild, Vögeln und anderen Tieren, und verbranntes Holz deutet auf ausgedehnte Waldbrände. Betroffen waren auch archäologische Fundstellen verschiedener Größe, die eine Besiedlung durch Menschen mindestens ein Jahrhundert vor dem Ausbruch zeigen. Der Vulkan zerstörte wichtige Ressourcen, und die Asche bzw. Gase führten bei Menschen und ihren Beutetieren zu Vergiftungen und reizten die Lungen und Augen. In der Folge verschwand die menschliche Besiedlung in einem großen Gebiet, das etwa die heutigen Bundesstaaten Hessen und Thüringen umfasste, vollständig. Andererseits entwickelte sich weiter nördlich, in Dänemark, in der Folgezeit die Bromme-Kultur. Da der Vulkan nicht erloschen ist, wies Riede auch auf diese historischen Forschungen als "realistisches Katastrophenszenario" für mögliche zukünftige Ausbrüche hin.

Ein weiterer Beitrag zum Ausbruch des Vulkans im Laacher See kam von Daniel Vóndrak von der Karlsuniversität Prag: Er identifizierte Asche des Vulkans in den Sedimenten dreier Seen im Böhmerwald im tschechisch-österreichisch-deutschen Grenzgebiet, etwa 450-470km vom Vulkan entfernt - ein weiterer Hinweis, dass das Auswurfmaterial weitere Teile Europas erreichte, als man früher angenommen hatte. In den Bohrkernen fanden sich jedoch Hinweise auf ein weiteres Ereignis kurz nach dem Laacher Ausbruch, nämlich wenige Mikrometer große eisenreiche Gesteinskügelchen ("Sphärulen") mit Schmelzspuren, die auf hohe Temperaturen hindeuten. Die genaue Entstehung und Herkunft dieser Sphärulen ist noch ungeklärt, aber es scheint, dass zu dieser Zeit mehrere katastrophale Ereignisse stattfanden. Diese Ereignisse fallen auch mit der Jüngeren Dryas zusammen, einer vor 12850 Jahren beginnenden Abkühlungsphase, die den Erwärmungstrend nach der Eiszeit unterbrach.

Noch mehr Vulkane - diesmal mit Folgen für Prä-Wikinger und Mongolen

Evelien van Dijk untersuchte die Folgen der Vulkanausbrüche von 536/540 n.Chr. auf Südostnorwegen. Für diese Vulkanausbrüche werden verschiedene Folgen in ganz Europa diskutiert und sie werden auch mit der Völkerwanderung und der Justinianischen Pest in Verbindung gebracht; all dies ist beim gegenwärtigen Forschungsstand aber noch ziemlich diffus. Van Dijk ging nun der Frage nach, wie sich die Ausbrüche auf die landwirtschaftlichen Möglichkeiten im Gudbrandsdalen ausgewirkt haben könnten. Klimamodellierungen zeigen, dass die vulkanischen Aerosole in Südostnorwegen zu einer Abkühlung von über 2 Grad und einer deutlichen Zunahme der Niederschlage während der dortigen Wachstumssaison (April-September) führten, die wohl so groß waren, dass Gerste nicht mehr angebaut werden konnte (für Weizen wird die Grenze noch früher erreicht). Tatsächlich zeigen Pollenanalysen aus dem Gudbrandsdalen eine Abnahme der Landwirtschaft, und die Anzahl der archäologischen Funde deutet darauf hin, dass auch die Bevölkerung nach 540 stark abnahm.

War ein Vulkan auch am Ende des Mongolenreichs beteiligt? Zoltán Kern (Forschungszentrum für Astronomie und Geowissenschaften, Sopron, Ungarn) argumentiert, dass der Ausbruch des Samalas auf der indonesischen Insel Lombok im Jahr 1257, der zu weltweiten Wetteranomalien führte, eine bedeutende Rolle beim Zusammenbruch des Mongolenreichs spielte. Während in der Geschichtsschreibung die Abfolge politischer Ereignisse und die Motivation der beteiligten Personen beschrieben wird, weist Kern darauf hin, dass dies vor dem Hintergrund von Dürren, Hungersnöten und Epidemien geschah, die man plausibel auf den Vulkanausbruch zurückführen kann. Der Zusammenbruch begann, als 1259 der letzte Herrscher des vereinigten Mongolenreichs, Möngke Khan, plötzlich an einer Seuche starb, die in Südwestchina ausbrach und die, so Kern, der Beschreibung nach vermutlich eine Cholera-Epidemie war, die durch die Witterung nach dem Vulkausbruch gefördert wurde. Weiterhin hatte eine extreme Dürre in der Mongolei und Ostchina in den Jahren 1259-1260 Folgen für die Versorgung der Armeen im Bürgerkrieg, der nach dem Tod von Möngke Khan unter seinen Brüdern entbrannte; infolge des Krieges zerbrach das Großreich in mindestens sechs kleinere Khanate.

Und noch mehr Vulkane (aber nicht nur...) - und die Evolution des Menschen

Haben Supervulkanausbrüche und Klimaveränderungen die menschliche Revolution beeinflusst? James Cole von der Universität Brighton stellte eine Analyse vor, die das letztlich aber auch nicht klären konnte. Viele frühere Arbeiten hatten sich auf die letzten 200.000 bis 100.000 Jahre konzentriert (schon hier mit vielen Debatten und Kontroversen); doch Cole analysierte einen längeren Zeitraum der letzten 5 Mio. Jahre und verglich die Zeitpunkte großer Vulkanausbrüche sowie die globalen Temperaturkurven (aus Sauerstoffisotopenanalysen von Meeressedimentbohrkernen) einerseits mit wichtigen Ereignissen der Menschheitsevolution andererseits, etwa dem Auftreten neuer Homininen und wichtigen technologischen Schritten wie der Verwendung von Ocker, Feuer und künstlerischer bzw. symbolischer Darstellungen. Wo die Daten genau genug sind, scheinen Vulkanausbrüche einen Einfluss auf die Verbreitung der Menschen gehabt zu haben, aber über lange Zeitskalen ist kein Einfluss auf die Evolutionsrate menschlicher Arten erkennbar.

Mehr zum Thema Evolution, aber nicht im Kontext von Vulkanen, sondern Klimaveränderungen: Jayne Wilkins (Griffith University, Australien) stellte Forschungen zur frühen Evolution von Homo sapiens aus dem Kalahari-Becken und die Rolle der Niederschläge vor. Im Mittleren und Späten Pleistozän zeigen archäologische Funde deutliche Innovationen, etwa geschäftete Steinwerkzeuge, Fischfang, die Verwendung von Ocker und erste figürliche Darstellungen. Wilkins berichtet von zwei Fundstellen aus dem Afrikanischen Middle Stone Age aus der Kalahari. Am Ga-Mohana Hill North Rockshelter (GHN) fällt die Besiedlung mit einer Periode erhöhter Niederschlage vor etwa 110000-100000 Jahren zusammen. Die Funde am etwa 100km weiter westlich gelegenen Witberg 1 sind mit 329000 bis 131000 Jahren älter, und die Fundstelle lag offenbar an der Küste eines heute längst ausgetrockneten Sees. In Zukunft hoffen die Autoren, mit den geologischen und archäologischen Daten dieser Fundstellen ein Modell entwickeln zu können, um zu identifizieren, wie die Niederschläge und die Wasservorkommen die Besiedlung der südlichen Kalahari beeinflusste.

Als das Meer zum Monster wurde - Tsunamis in der Nordsee und im Zentralpazifik

Das Königreich Tu'i Tonga im Zentralpazifik vereinigte im 14. Jh. die Inseln des Tonga-Archipels unter einer Zentralherrschaft und soll, so die Tradition, erheblichen Einfluss auf die Nachbarregionen ausgeübt haben. Doch Mitte des 15.Jh. kam es offenbar zum Zusammenbruch mit einem Ende der Migration über die Hochsee zwischen den Archipelen, tief reichenden kulturellen Veränderungen und einer Abnahme der verfügbaren Naturressourcen. Viele Gründe werden diskutiert, vor allem interne politische Probleme, doch Franck Lavigne (Sorbonne-Universität Paris) argumentiert nun aufgrund einer Vielzahl von geologischen und archäologischen Daten, dass ein Megatsunami Mitte des 15. Jh. das Königreich Tu'i Tonga erheblich in Mitleidenschaft zog. Der Tsunami könnte auch der Ursprung einer Legende sein, nach der eine Riesenwelle einst die gesamte Insel Tongatapu überflutet haben soll.

Die umgekehrte Forschungssituation liegt beim Storegga-Tsunami vor 8200 Jahren vor der Küste Norwegens vor: Der Tsunami ist der Forschung seit gut 30 Jahren bekannt und gut belegt, seine Auswirkungen auf die damaligen Jäger-Sammler-Gesellschaften jedoch nicht. Astrid Nyland von der Universität Stavanger stellte ein Forschungsprojekt vor, das diese Frage beleuchten soll. Der Tsunami wurde durch einen enormen untermeerischen Hangrutsch vor der Küste Mittelnorwegens ausgelöst, und die Flutwelle traf die Küste Westnorwegens, Schottlands und Doggerlands (der nacheiszeitlichen Landfläche, die heute in der südlichen Nordsee liegt). Meist wird angenommen, dass dies für die an den Küsten lebenden Menschen eine Katastrophe gewesen sein muss - aber ist das wirklich so klar? Die Menschen im Mesolithikum (der Mittelsteinzeit) waren Jäger-Sammler-Fischer, die auf Inseln und Landspitzen und an strömungsreichen Flussmündungen lebten; sie dürften mit dem Meer und seinen Gefahren vertraut gewesen sein und sich auch zu schützen gewusst haben. Das Projekt soll das archäologische Material danach auswerten, welche Traditionen die mesolithischen Gesellschaften gefährdet bzw. resilient machten.

Historische Beobachtungsdaten und ihre Auswertung

Mehrere Beiträge beschäftigten sich mit der Auswertung verschiedener historischer Klima- bzw. Wetterbeobachtungen. Diese Arbeiten gingen zwar meist nicht direkt auf die gesellschaftlichen Folgen ein, helfen aber, die Datengrundlage zu verbessern.

Elin Lundstad von der Universität Bern erläuterte die Arbeit an einer neuen Datenbank, die globale instrumentelle Klimadaten für das 18. und 19. Jh. vor 1890 zusammenfassen wird. Sie kombiniert Daten aus verschiedenen vorhandenen Repositorien, wird aber auch viele Stationen erstmals digitalisieren. Nach der Qualitätskontrolle werden diese historischen Wetterbeobachtungen in globale Computermodelle assimiliert, um einheitliche monatliche Rekonstruktionen ohne Interpolationen zu erhalten.

Mikhail Lokoshchenko (Lomossow-Universität Moskau) stellte eine Rekonstruktion des Klimas von Moskau am Ende der Kleinen Eiszeit vor. Demnach zeigen sich in den letzten 240 Jahren drei Phasen: eine Erwärmung am Ende des 18. Jh., gefolgt von einer langsamen Abkühlung im 19. Jh., und einem starken Erwärmungstrend ab Mitte des 19. Jh. bis heute. Interessant zudem: Der Sommer des "Jahres ohne Sommer" (1816) nach dem Ausbruch des Tambora war in Moskau zwar relativ kühl, aber nicht extrem kalt.

Thomas Pliemont von der Universität Graz analysierte die meteorologischen Beobachtungen aus Paris während des Maunder-Sonnenfleckenminimums; der Forscher Louis Mourin hatte 1665-1709 mehrfach täglich Temperaturen, Wolkenbewegungen, Luftfeuchtigkeit und Niederschläge aufgezeichnet. Gegenüber modernen Vergleichszeiträumen (1961-1990 und 1986-2015) war es demnach im Winter und Herbst kälter; während Frühjahr und Sommer moderat waren. In den Niederschlägen und der Bewölkung fanden sich dagegen keine Auffälligkeiten.

Erfahrungen mit der EGU-Online-Konferenz

Die Europäische Geowissenschaftliche Union (EGU) hält jedes Jahr im April oder Mai ihre Jahresversammlung ab. In Nicht-Pandemiezeiten kamen dazu über 10000 Forscher und Forscherinnen aus der ganzen Welt in Wien zusammen, um sich eine Woche lang in Tausenden von Vorträgen und Posterpräsentationen gegenseitig über neue Forschungen über die Erde, von den Gesteinen und der Tektonik über die Ozeane hin zur Atmosphäre, zu informieren. Dieses Jahr musste die Konferenz, wie auch schon letztes Jahr, vollständig online ablaufen. Die Konferenz war immer eine gute Gelegenheit, sich zu informieren und Kolleg:innen zu treffen. Wie funktionierte das alles?

In gewöhnlichen Jahren fand die Konferenz im Austria Center Vienna, einem der größten Konferenzzentren Europas, statt. Die Beiträge sind in thematischen Abschnitten organisiert, von denen jeweils Dutzende gleichzeitig in verschiedenen Räumen ablaufen; sie werden jeweils von Wissenschaftler:innen selbst organisiert; auch ich selbst habe in früheren Jahren Abschnitte zur Messung von Treibhausgasen und zu den Oberflächentemperaturen der Erde organisiert und geleitet. Möchte man einen Abschnitt organisieren, dann reicht man etwa ein Dreivierteljahr vorher einen thematischen Vorschlag ein und, wenn er von der EGU angenommen wird, wird man Convener (Abschnittsleiter) und muss sich darum kümmern, Werbung für den eigenen Abschnitt zu machen bzw. Kollegen anzusprechen, um Vortragende zu finden. Wenn thematisch ähnliche Vorschläge verschiedener Organisatoren kommen, oder wenn man nicht genügend (mindestens etwa 20) Beitragende findet, regt die EGU an, die Abschnitte zusammenzulegen oder zu koordinieren, aber ansonsten ist man ziemlich frei darin, welche Themen man im eigenen Abschnitt annimmt. Da diese Abschnitte jeweils relativ eigenständig organisiert werden, gibt es in der Praxis oft Überschneidungen mit thematisch ähnlichen Abschnitten, und die Abschnitte selbst sind teils thematisch sehr eng, teils sehr weit gefasst. Das erkennt man auch an den obigen Zusammenfassungen: die einzelnen Beiträge waren über vier oder fünf verschiedene Abschnitte verteilt zwischen vielen anderen Beiträgen zu ganz anderen Themen.

Auf wissenschaftlichen Konferenzen gibt es traditionell zwei Beitragsformate: Vorträge und Poster. Bei Vorträgen trägt eine der Autor:innen eine Präsentation in einem Konferenzraum vor; bei solch großen Konferenzen ist die Zeit leider nur sehr knapp - bei der EGU typischerweise 10 Minuten für den Vortrag und 2 Minuten für Fragen, dann kommt der nächste Vortrag. Poster hängen dagegen den ganzen Tag in mehreren großen Hallen, und man kann sie sich tagsüber in den Pausen ansehen (um die Leute anzuziehen, standen in den Posterhallen auch immer große Kisten mit steirischen Äpfeln, und es gab Kaffee). Bei der EGU gab es dann jeden Tag von 17:00 bis 20:30 Posterzeiten, an denen keine Vorträge gehalten wurden, aber in den Posterhallen Bier (und andere Getränke) ausgeschenkt wurden; die Posterautorinnen und -autoren sollten zu dieser Zeit neben ihren Postern stehen, sodass man sich mit ihnen unterhalten konnte.

Die EGU hatte zudem schon vor einigen Jahren begonnen, mit einem weiteren Beitragsformat zu experimentieren, einer Mischung aus Vortrag und Poster: PICO (für "Presenting Interactive Content"). Dies sind spezielle interaktive Präsentationen, die auf große Touchscreens geladen werden; die Vortragenden stellen ihre Präsentation in einem 2-minüten Kurzvortrag vor und die Teilnehmer:innen können dann zu einem der Dutzenden aufgebauten Touchscreens gehen und sich selbst durch die Präsentation klicken, die sie interessieren; die Autor:innen stehen auch nach ihrem Vortrag etwa eine Stunde lang neben "ihrem" Touchscreen, sodass man sich unterhalten kann.

Dieses PICO-Format wurde ursprünglich entwickelt, weil die traditionellen Vorträge bei einer so großen Konferenz nicht mehr so gut funktionierten: Als Teilnehmer ist ein Marathon von 10-Minuten-Vorträgen, bei denen man stillsitzen muss und nur passiv zuhören kann, sehr ermüdend, und wenn man mit den Vortragenden sprechen will, muss man sie hinterher in der Kaffeepause im Gewusel von Tausenden Teilnehmern wieder finden. Ich persönlich fand Vorträge daher oft ermüdender und weniger ergiebig als die Poster und die persönlichen Gespräche in den Pausen, und man reist ja auch nicht für eine Woche an, um dann nur passiv zuzuhören, sondern um mit Kollegen zu interagieren. Ein Konferenzformat, das die passiven Elemente zurückdrängt und die aktivere Teilnahme fördert, ist daher sehr willkommen.

Dass die EGU mit diesem PICO-Format seit Jahren Erfahrung gesammelt hat, war nun natürlich ein gewaltiger Glücksfall, als die Konferenz wegen Corona nicht real stattfinden konnte - das Format bot sich geradezu an, in eine virtuelle Form (vPICO) umgewandelt zu werden; die Autorinnen bzw. Autoren konnten ihre Präsentationen wie gewohnt hochladen und vor der Kamera halten, nur statt der realen Präsenz am Poster bzw Touchscreen gab es hinterher Online-Chatrooms für die Interaktion mit anderen Teilnehmenden. Andere Organisationen, die bisher nur traditionelle Konferenzen organisiert hatten, fanden es wohl viel schwieriger, online zu gehen - ich habe einige andere Konferenzen erlebt, bei denen der Mangel an Erfahrung deutlich zu erkennen war und vieles nicht gut klappte.

Die EGU-Konferenz lief also (vor allem im Vergleich zu anderen Online-Konferenzen) meiner Ansicht nach ziemlich gut. Dennoch sind die Erfahrungen etwas gemischt. Einerseits war vieles sogar einfacher als eine echte Konferenz im wirklichen Leben. Es war deutlich weniger anstrengend, die Präsentationen zuhause am Computer zu verfolgen, als eine Woche lang den ganzen Tag auf den Beinen zu sein und das riesige Konferenzzentrum mehrfach am Tag durchqueren zu müssen (da kamen sicher so 10km Wege am Tag zusammen...). Dazu trug auch bei, dass die Konferenz von den üblichen fünf Tagen auf zwei Wochen verlängert wurde, sodass die einzelnen Tage weitaus weniger dicht gepackt waren.

Andererseits können die besten Chatfunktionen die realen Gespräche nicht ersetzen. Ein Gespräch über Chatfunktionen, selbst Videogespräche sind irgendwie hölzerner als die Gespräche im wirkliche Leben. Vor allem fehlten mir aber auch die Zufallsbegegnungen. In der Online-Konferenz plant man genauer, welche Präsentationen man sehen will, bei der realen Konferenz läuft vieles spontaner ab. Wenn man mal die Beine ausruhen will, setzt man sich oft in irgendeinen Saal und hört zu, über was da gerade gesprochen wird, auch wenn das vielleicht Themen sind, mit denen man sich nie vorher beschäftigt hat. Oder man trifft am Kaffeestand zufällig Kollegen, die man seit Jahren nicht gesehen hat. Oder man streift durch die Posterhallen und entdeckt spannende Themen, die man alleine aus den Titeln im Programm nicht erwartet hätte.

Zuhause wird man auch leichter verleitet, die Vorträge nur nebenher laufen zu lassen und etwas anderes, dringendes zu erledigen. Bei der realen Konferenz war es für mich immer umgekehrt: Wenn ich auf der Konferenz war, dann hatte ich die Zeit von anderen Verpflichtungen freigehalten (auch wenn vielleicht die eine oder andere Email zu bearbeiten war). Psychologisch ist es ein enormer Unterschied, ob man am normalen Arbeitsplatz sitzt oder in eine ganz anderen Umgebung mit ganz anderen Eindrücken versetzt wird.

Und natürlich gab es in der wirklichen Welt Kaffee, Bier und steirische Äpfel, und die Mittagspause im Sonnenschein auf der Donauinsel.

Insofern freue ich mich schon darauf, wenn Konferenzen wieder in der realen Welt stattfinden können. Sie sind eben eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen man Kolleginnen und Kollegen auch real treffen kann. Jetzt, wo ich freiberuflich alleine arbeite, ist das umso wichtiger, aber schon zu meiner Zeit als Projektmanager an der Universität waren die Kollegen über Europa und teils die Welt verstreut und man kannte sich fast nur von Emails - umso wichtiger sind die gelegentlichen persönlichen Treffen, um einen Eindruck von der Persönlichkeit der Kollegen zu haben.

Ein letzter Aspekt soll aber nicht unerwähnt bleiben: der sparsame Umgang mit der Umwelt, mit dem Geld und mit der Zeit. Die Anreise zu Konferenzen und Treffen machen für viele Forscher einen Großteil ihres Treibhausgas-Fußabdrucks aus, der reduziert werden muss. Reise und Unterkunft sind natürlich auch sehr teuer, was gerade Studenten, Forscher:innen aus ärmeren Ländern oder Freiberufler wie mich (der alles aus eigener Tasche bezahlen muss) benachteiligt. Und ich kenne viele, die einfach aus Zeitgründen schon darüber geklagt haben, viel zu viel reisen zu müssen, weil das eben in der Karriere so erwartet wird; ich selbst genieße es, jetzt als Freiberufler diesem Druck nicht mehr zu unterliegen. Online-Konferenzen ermöglichen daher vielen Menschen die Teilnahme, die es sich sonst nicht leisten könnten, und verringern dabei die Treibhausgasemissionen. Nun haben die EGU und viele individuelle Forscherinnen schon in der Vergangenheit versucht, ihre Emissionen zu reduzieren - und Wien ist über exzellente Bahnverbindungen mit ganz Europa verbunden. Ich selbst bin nach Wien kein einziges Mal geflogen und der Nachtzug von Köln war stets voll mit anderen Konferenzteilnehmern. Doch man kann die Umweltfolgen weiter reduzieren, und das letzte Jahr hat uns auch gezeigt, dass viele Treffen sich auch online machen lassen. Auch die EGU will in Zukunft ein Mischformat aus realer Konferenz und virtuellen Elementen anbieten, um die Vorteile von beiden zu verbinden. Es wird spannend, in welcher Form das geschehen wird und welche Erfahrungen sich dadurch ergeben.

Quellen

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