Gut eine halbe Million Jahre umfasst der diesmalige Monatsüberblick. Wir blicken (in umgekehrter chronologischer Reihenfolge) auf ein interessantes Projekt zur Auswanderung in die USA in der Kleinen Eiszeit, über das auch in der Presse berichtet wurde, zumal ihr derzeit wohl berühmtester Vertreter 1885 Friedrich Trump war, dessen Enkelsohn Donald als Immobilienspekulant und Medienpersönlichkeit berühmt wurde. Eine weitere Arbeit findet, dass der Ausbruch des Tambora 1815 stärkere Auswirkungen hatte als gedacht, und es gibt neue Spekulationen zum Zusammenhang der Justinianischen Pest im 6. Jh. mit Vulkanausbrüchen. Die Niederschläge im afrikanischen Regenwald vor 2600 Jahren und in Yucatan während der präklassischen Mayazeit sind weitere Themen. Weiter geht es mit dem antiken Mittelmeerraum in der Bronzezeit, wo der Untergang von Mykene wohl nichts mit Erdbeben zu tun hatte, aber die Metallverarbeitung zu früher Umweltverschmutzung führte. Schließlich gehen wir 600.000 bis 300.000 Jahre zurück zum Übergang der Acheuléenkultur zum Middle Stone Age in Afrika. Viel Spaß beim Lesen!

Klima der Auswanderung im 19. Jh.

Das Projekt "Climate of Migration" (2010-2014) untersuchte die Beziehung zwischen klimatischen und sozioökonomischen Faktoren und großen Auswanderungswellen von Südwestdeutschland nach Afrika im 19. Jh. Dieses Jahrhundert war durch die Kleine Eiszeit mit starken Kälteperioden, aber auch durch die Napoleonischen Kriege, die Abschaffung des Feudalsystems, die bürgerliche Revolution und den Beginn der Industrialisierung. Nun wurde ein Überblick über die Ergebnisse des Projekts veröffentlicht. Die Autoren analysieren die einzelnen Auswanderungswellen statistisch und korrelieren sie mit klimatischen und politischen Ereignissen und schließen auf eine Wirkungskette von Klimaereignissen über Missernten und steigenden Getreidepreisen zu Migrationswellen.

Einfluss des Tambora-Ausbruchs (1815) auf Nordamerika stärker als gedacht

Eine umfangreiche Auswertung früher Wetteraufzeichnungen und Baumringanalysen aus Kanada, verbunden mit Modellrechnungen, zeigt, dass die Auswirkungen des Ausbruchs des indonesischen Vulkans Tambora im Jahr 1815 auf die Biosphäre stärker waren als bisher angenommen. Er beeinflusste nicht nur Wachstumsraten der Bäume, sondern auch die Zusammensetzung von Wäldern und Ökosystemen über einen längeren Zeitraum.

  • Gennaretti, Fabio, Etienne Boucher, Antoine Nicault, Guillermo Gea-Izquierdo, Dominique Arseneault, Frank Berninger, Martine M. Savard, Christian Bégin, und Joel Guiot. „Underestimation of the Tambora Effects in North American Taiga Ecosystems“. Environmental Research Letters 13, Nr. 3 (2018): 034017. https://doi.org/10.1088/1748-9326/aaac0c.

Antike Pest um 540 n.Chr. durch Lichtmangel begünstigt?

Dass zwei große Vulkanausbrüche in den Jahren 536 und 540 n.Chr. zur Abkühlung in ganz Eurasien und Ernteausfällen in Nord- und Mitteleuropa führte, ist bekannt. Doch gibt es auch einen Zusammenhang mit der Justinianischen Pest ab 541 n.Chr., an der Millionen Menschen starben - schließlich wütete die Pest vor allem im Mittelmeerraum, wo die Klimafolgen geringer waren? Eine Forschergruppe hat nun einen möglichen Mechanismus gefunden. Aus Isotopenanalysen von Bäumen in Finnland konnten sie die Stärke der Sonneneinstrahlung rekonstruieren und fanden eine deutliche Abschwächung in den Jahren 536 sowie 540-544, was auch mit historischen Berichten von "Dunstschleiern" übereinstimmt. Die verringerte Sonneneinstrahlung könnte, so spekulieren die Autoren, zu einem Vitamin-D-Mangel und damit größerer Krankheitsanfälligkeit geführt haben.

  • Helama, Samuli, Laura Arppe, Joonas Uusitalo, Jari Holopainen, Hanna M. Mäkelä, Harri Mäkinen, Kari Mielikäinen, u. a. „Volcanic Dust Veils from Sixth Century Tree-Ring Isotopes Linked to Reduced Irradiance, Primary Production and Human Health“. Scientific Reports 8, Nr. 1 (22. Januar 2018): 1339. https://doi.org/10.1038/s41598-018-19760-w.
  • Podbregar, Nadja. „Antike Pest: Begünstigt durch Lichtmangel?“ Scinexx, 16. April 2018. http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-22629-2018-04-16.html.

Regenwaldkrise vor 2600 Jahren nicht klimatisch, sondern durch menschlichen Einfluss

Vor 3000-2000 Jahren wurde der Regenwald in Westzentralafrika durch ein Mosaik aus Wald und Savanne ersetzt. Bisher war unklar, ob großräumige klimatische Veränderungen zu trockeneren Verhältnissen führten. Eine Rekonstruktion der letzten 10.500 Jahre anhand von Bohrkernen aus dem Barombisee (Kamerun) zeigt nun jedoch keine hydrologischen Veränderungen in Verbindung mit dem Auftauchen von Savannenpflanzen. Die Datierung von 460 archäologischen Fundstellen zeigt, dass etwa vor 2600 Jahren der menschliche Einfluss enorm zunahm. Vermutlich waren technische Neuerungen in der Landwirtschaft und der Eisenherstellung zusammen mit der großräumigen Bantu-Expansion die Auslöser der ökologischen Veränderungen.

  • Garcin, Yannick, Pierre Deschamps, Guillemette Ménot, Geoffroy de Saulieu, Enno Schefuß, David Sebag, Lydie M. Dupont, u. a. „Early Anthropogenic Impact on Western Central African Rainforests 2,600 y Ago“. Proceedings of the National Academy of Sciences, 22. Februar 2018, 201715336. https://doi.org/10.1073/pnas.1715336115.
  • Malhi, Yadvinder. „Ancient Deforestation in the Green Heart of Africa“. Proceedings of the National Academy of Sciences 115, Nr. 13 (27. März 2018): 3202–4. https://doi.org/10.1073/pnas.1802172115.

Niederschläge während der präklassischen Mayazeit

Die Niederschläge während der präklassischen Epoche (1800-250 v.Chr.) wurden anhand von Sedimentbohrkernen aus dem Tuspansee im zentralen Yucatan sowie Veränderungen der Strandlinie an der Mündung des Usumacinta (Golf von Mexiko) rekonstruiert. In der frühen präklassischen Zeit (1800-1000 v.Chr.) war das Klima relativ trocken und ähnelte der vorangehenden spätarchaischen Periode (5000-1800 v.Chr.), wobei jedoch gelegentliche Sturzfluten auftraten. In der mittleren präklassischen Periode (1000-400 v.Chr.) wurde es deutlich feuchter, gefolgt von trockeneren Verhältnissen zu Beginn der späten präklassischen Zeit (400-250 v.Chr.).

  • Nooren, K., W. Z. Hoek, B. J. Dermody, D. Galop, S. Metcalfe, G. Islebe, und H. Middelkoop. „Climate impact on the development of Pre-Classic Maya civilization“. Clim. Past Discuss. 2018 (6. März 2018): 1–24. https://doi.org/10.5194/cp-2018-15.

Ende von Mykene wohl nicht durch Erdbeben

Große Erdbeben vom 13. bis 11. Jh. v.Chr. galten bisher als mögliche Ursache für das Ende der mykenischen Kultur und die Zerstörung ihrer Paläste um 1200 v.Chr. Nun zeigten seismographische Untersuchungen an den Burgen von Tiryns und Midea in der Argolis (Peloponnes), dass dies unwahrscheinlich ist. Die Forscher modellierten die örtliche Bodenbewegungen, falls man Beben an Epizentren der Region annimmt, und verglichen diese mit den tatsächlichen Gebäudeschäden. Meist passt der Schaden nicht zur Erdebebenhypothese, etwa weil die Unterstädte weniger betroffen ist als die Burgen, obwohl Schwemmebenen allgemein stärker gefährdet sind. Zudem gibt es auf starke örtliche Erdbebenherde in der Argolis keine seismographischen Hinweise.

Metallverschmutzung in der Bronzezeit als Beginn des Anthropozäns?

Spuren von Blei lassen sich schon in der Frühen Bronzezeit des Mittelmeerraums (3500-2800 v.Chr.) überregional nachweisen, das aus der Bronzeverarbeitung stammt und durch den Wind weiträumig verteilt wurde. Michael Wagreich und Erich Draganits schlagen vor, diese Bleikonzentration als Marker für den Beginn der ergeschichtlichen Periode des Anthropozäns zu verwenden.

Umweltveränderungen zu Beginn des Middle Stone Age in Afrika

Vor etwa 300.000 Jahren fand in Afrika der Übergang von der Achaeuléenkultur zum Middle Stone Age (MSA) statt, die durch die Levalloistechnik (eine Abschlagtechnik zur Herstellung von Steingeräten) geprägt ist. Eine Analyse von Sediment- und anderen Paläoumweltdaten aus dem Olorgesailiebecken (Kenia) zeigt nun, dass MSA-Fundorte im Vergleich zu Achaeléenfundorten ein variableres Klima mit anderen Faunengemeinschaften, deutlicheren Erosions-Ablagerungszyklen und größerer Variabilität der Feuchtigkeit geprägt sind. Schon ab vor 615.000 Jahren zeigt die Achaeuléenkultur der Region eine sorgfältigere Auswahl des Rohmaterials und eine breitere Nutzung von Ressourcen, was die Anpassungsfähigkeit der MSA-Kultur teils vorausnimmt.

  • Potts, Richard, Anna K. Behrensmeyer, J. Tyler Faith, Christian A. Tryon, Alison S. Brooks, John E. Yellen, Alan L. Deino, u. a. „Environmental Dynamics during the Onset of the Middle Stone Age in Eastern Africa“. Science 360, Nr. 6384 (6. April 2018): 86–90. https://doi.org/10.1126/science.aao2200.

Hinweis

Bitte beachten: In diesem Rundblick geht es vor allem um die schnelle Information. Daher sind einige Zusammenfassung recht technisch und erklären nicht alles in verständlicher Form, und teils habe ich noch nicht alle Artikel im Detail durchgearbeitet. Fehler und Unklarheiten bitte ich daher zu entschuldigen und freue mich über entsprechende Hinweise und Kommentare.