Historische Schiffstagebücher sind wichtige Datenquellen für die Klimaforschung. Bei dem Projekt "Weather Rescue at Sea" kann jeder mithelfen, Daten aus dem 19. Jh. zu digitalisieren und damit der Forschung leichter zugänglich zu machen.

Gegen Ende des 18. Jh. begann an vielen Orten die systematische instrumentelle Aufzeichnung von Wetterdaten, zunächst von interessierten Einzelpersonen, später auch zunehmend von staatlichen Netzwerken nach standardisierten Verfahren. Für die moderne Klimaforschung sind diese Daten sehr wertvoll. Einerseits liefern sie Zeitreihen von Beobachtungen, die auf relativ einheitliche Weise entstanden sind, sodass man Trends gut analysieren kann. Andererseits helfen sie auch bei der Interpretation geowissenschaftlicher Klimaindikatoren (etwa Baumringanalysen oder geochemische Methoden), die viel weiter in die Vergangenheit reichen.

Um für die moderne Forschung zugänglich zu sein, müssen die Daten aus Notizbüchern in digitale Computerdatensätze übertragen werden. Während es relativ einfach ist, die alten Aufzeichnungen zu scannen und als Bilddateien zu speichern, überfordern die handschriftlichen Zahlen jede automatische Texterkennung. Daher gab es bereits mehrere Citizen-Science-Projekte, bei denen interessierte Bürger über eine Online-Plattform die gescannten Abbildungen der Tagebücher ansehen und die Daten abtippen können; der Pionier in diesem Bereich war (meines Wissens) das Projekt Old Weather; schon in der ersten Phase (2010-2012) wurden von über 16000 Helfern 1,6 Mio Beobachtungen von über einer Million gescannter Seiten digitalisiert. So werden die Daten nicht nur zugänglich gemacht, sondern auch "gerettet", da die Papierarchive in den verschiedensten Ländern leider immer wieder gewisse Verluste durch Brände, Wasserschäden oder einfach den Zerfall des Papiers erleiden.

Das neue Projekt "Weather Rescue at Sea" soll nun maritime Beobachtungen besser zugänglich machen, wiederum nach dem Citizen-Science-Prinzip. Wetteraufzeichnungen in Schiffstagebüchern reichen ebenfalls bis ins 18. Jh. zurück, und 1854 vereinbarte man auf einer internationalen Konferenz seefahrender Nationen einheitliche Standards für die Wetterbeobachtungen auf See und ihre Aufzeichnung; die Schiffstagebücher wurden in Marinearchiven gesammelt. "Weather Rescue at Sea" konzentriert sich auf die 1860er und 1870er, für die in bestehenden Datensätzen relativ weniger Beobachtungen vorliegen als für andere Dekaden.

Die Ozeane bereiten generell in der Klimaforschung ein gewisses Kopfzerbrechen: Einerseits sind sie eine zentrale Komponente des Klimasystems, die das Klima wesentlich beeinflusst, andererseits sind sie aber mit Beobachtungsdaten viel schlechter abgedeckt als die meisten Landmassen. In den letzten Jahrzehnten liefern u.a. Satelliten eine gute räumliche und zeitliche Abdeckung der Oberflächenvariablen, insbesondere der Wassertemperatur, und automatische Treibbojen (insbesondere das Argo-Treibbojennetz) können Daten auch in der Tiefe messen. Doch ansonsten ist man im Wesentlichen auf "Ships of Opportunity" (SoOs) angewiesen, also etwa Handelschiffe, die mit automatischen Wetterstationen das Wetter beobachten und am Kühlwassereinlass die Wassertemperatur und ggf. weitere Werte, und die teils auf freiwilliger Basis weitere Messungen beitragen.

Dabei ist es nach wie vor ein großes Problem, dass diese Ships of Opportunity sich vor allem auf die wichtigen Handelsrouten im Atlantik und Nordpazifik konzentrieren, aber etwa der Südpazifik oder der Südliche Ozean kaum abgedeckt sind, und dass diese Schiffe Stürme und schlechtes Wetter vermeiden, sodass man gerade von einigen für die Forschung besonders interessanten Wetterverhältnissen wenig Daten hat.