Bisher galten sinkende Temperaturen als ein Hauptgrund für die Aufgabe der nordischen Siedlungen in Südgrönland im 15. Jh. Eine neue Klimarekonstruktion findet jedoch keinen örtlichen Abkühlungstrend zu dieser Zeit, doch eine anhaltende Trockenheit, die die Überwinterung des Viehs erschwerte und damit die Lebensfähigkeit der östlichen Siedlung beeinträchtigte.

Die Besiedlung

Nordische Siedler gründeten im Jahr 985 die Ostsiedlung, eine Ansammlung von Höfen auf einem etwa 100 km großen Gebiet an der Fjordküste Südgrönlands mit bis zu 2000 Bewohnern, doch im frühen 15. Jh. war die Siedlung wieder weitgehend aufgegeben. Selbst zu den klimatisch günstigsten Zeiten war die Gegend für Landwirtschaft nur sehr eingeschränkt geeignet, vor allem die Viehhaltung auf gerodeten Weideflächen. So wird berichtet, dass Ziegen und Schafe im Winter in warmen, dunklen Ställen gehalten wurden und im Frühjahr oft so geschwächt waren, dass man sie auf die Weiden hinaustragen musste.

Temperaturrekonstruktionen

Boyang Zhao und Kolleg*innen rekonstruierten nun das Ortsklima aus lokalen Daten; dies ist wichtig, da globale Trends oft durch örtlicher Einflüsse stark modifiziert sind. So analysierten sie die Sommertemperaturen aus der Analyse von bakteriellen Membranlipiden aus Sedimenten mehrerer Seen rekonstruieren. Zwar zeigen die weit im Binnenland liegenden Seen über den gesamten Zeitraum (375 n.Chr. bis 2000) einen sehr schwachen Abkühlungstrend von 0,07°C pro Jahrhundert, doch Seen näher an der Küste zeigen zur Besiedlungszeit keine Abkühlung zur Zeit der Besiedlung, wohl aufgrund von Veränderungen von Meeresströmungen, die sich auch in relativ warmen Meeresoberflächentemperaturen niederschlagen. Insbesondere war das frühe 15. Jh. nicht ungewöhnlich kalt, und das späte 14. Jh. war sogar eine der wärmsten Perioden des gesamten Untersuchungszeitraums in diesem Gebiet.

Hydrologie

Die relative Luftfeuchtigkeit im Sommer rekonstruierten die Autoren durch Analysen des Blattwachses von Wasser- und Landpflanzen, deren Reste ebenfalls in Seesedimenten erhalten sind; das Isotopenverhältnis des Wachses wird durch Verdunstungsprozesse beeinflusst. Zudem gibt der Eintrag von organischem Kohlenstoff in die Seen Hinweise auf die Niederschläge. Diese Daten zeigen eine dauerhaft feuchte Periode von 600 bis 950, gefolgt von einem graduellem Trend zu trockeneren Verhältnissen bis ins 16. Jh.

Die zunehmende Trockenheit dürfte die Qualität der Weiden verringert haben, sodass das Vieh im Sommer weniger Nahrung fand und man auch weniger Futter für den Winter einlagern konnte. Dass die Trockenheit als ein Problem erkannt wurde, zeigt auch die Anlage von Bewässerungsgräben in Igaliku. Während die Verhältnisse zu Beginn der Besiedlungszeit noch denen ähnelten, die auf Island oder Norwegen die Viehhaltung ermöglichten, war dies offenbar am Ende anders. Archäologen ist seit langem bekannt, dass sich die Ernährung der Siedler änderte und sie zunehmend auf Ressourcen aus dem Meer zurückgriffen.

Interessanterweise ist Südgrönland auch heute noch durch Dürren gefährdet. So ging die Heuernte 2008 um 50% zurück und es folgten mehrere trockene Jahre bis 2019, in denen große Mengen Heu importiert werden musste - eine Option, die den nordischen Siedlern im Mittelalter nicht zur Verfügung stand.

Quellen

  • Zhao, Boyang, Isla S. Castañeda, Jeffrey M. Salacup, Elizabeth K. Thomas, William C. Daniels, Tobias Schneider, Gregory A. de Wet, und Raymond S. Bradley. „Prolonged drying trend coincident with the demise of Norse settlement in southern Greenland“. Science Advances 8, Nr. 12 (23. März 2022): eabm4346. https://doi.org/10.1126/sciadv.abm4346.